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Besemfelder, Oscar Adolf Georg, * 10. Mai 1893 Memmingen, † 28. November 1965 München, Sänger und Lautenspieler

1   Familiäre Herkunft und Ausbildung

Oscar Besemfelder war nach einer älteren Schwester das zweite Kind des Kaufmanns Hugo Besemfelder und seiner Ehefrau Sophie. Er besuchte zunächst die Volksschule in Memmingen, anschließend ab 1907 das Süddeutsche Landerziehungsheim Schondorf am Ammersee und zuletzt die Handelshochschule München. Bereits während der Schondorfer Schulzeit begann sein autodidaktisches Gitarrenspiel und sein Gesangsunterricht bei Leonore von Staudt. Nach Abschluss der Schullaufbahn machte er eine Banklehre in Kempten, danach nahm er als Sanitäter, zeitweise auch als Musiker auf Fronttheatern am Ersten Weltkrieg teil.

Abb. 1 – Oscar Besemfelder
Photo Heinrich Löher, München 8. Juni 1959, Lautensänger-Besemfelder-Stiftung

Nach Kriegsende wählte Besemfelder München zu seinem Wohnort und die Laufbahn eines Opernsängers zu seinem Berufsziel. Dazu nahm er Gesangsunterricht bei Jacques Stückgold (1877-1953), Hugo Proksch, Ferdinand Eiber (Gesang) sowie Unterweisung im Lautenspiel und Tonsatz bei Heinrich Scherrer (1865-1937), dem Flötisten des Bayerischen Staatsorchesters und maßgeblichen Vertreter der Jugendmusikbewegung. Scherrer war seit der Jahrhundertwende als Arrangeur der Liedersammlung Zupfgeigenhansl, Herausgeber von Volksliedern, Musikpädagoge der damals jungen süddeutschen Gitarristik und Wegbereiter der Alten Musik hervorgetreten.

Um 1920 fand Besemfelder Kontakt zu dem Münchner Instrumentenbauer Hermann Hauser (1882-1952), einem der profiliertesten und innovativsten Gitarrenbauer seiner Zeit, bei dem er sich mehrere in der Art von Kontragitarren zu spielende Wandervogel-Lauten anfertigen ließ.

2   Laufbahn

Mit einem Konzert mit deutschen Volksliedern aus fünf Jahrhunderten im Münchner Hotel Bayerischer Hof begann 1921 eine Auftrittsserie, die bis zum Tod Besemfelders andauerte und von seinen frühen Biographen auf annähernd 4000 Bühnenauftritte weltweit geschätzt wurde. Die Karriere Besemfelders als Sänger, Lautenist und Bühnendarsteller dokumentiert – ungeachtet ihres einzigartigen Verlaufs – deutlich ihre für München und diese Zeit typische Prägung: Besemfelder erlebte die Volkslied-Mode im Kontext des wilhelminischen Nationalismus, die großstädtische Jugendmusikbewegung und die aufstrebende süddeutsche Gitarristik. In der Auswahl und Bearbeitung seines Liedrepertoires konnte er auf das Vorbild Scherrers zurückgreifen, ähnlich wie dessen weitere Schüler, z. B. Robert Kothe oder die Geschwister Wizemann. In der bewussten Abgrenzung zur Jugendmusikbewegung behielt Besemfelder mit seiner hünenhaften Statur und seinem charismatischen Auftreten jedoch stets eine opernhafte Bühnenattitüde bei.

3   Auftrittskonzept, Repertoire, Oeuvre

In der Tradition spartenübergreifender Theater- bzw. Musikkonzepte, wie sie etwa Frank Wedekind oder andere Kabarettisten in München um die Jahrhundertwende eingeführt hatten, gestaltete Besemfelder seine Auftritte als moderierte Gesprächskonzerte in historisierendem Ambiente. Der stets konkurrenzlos im Mittelpunkt stehende Künstler füllte darin die Rollen des charmanten Unterhalters, sonoren Baritons, gewandten Lautenisten und szenisch agierenden Rezitators aus. Gelegentlich trat er in Begleitung von einem oder mehreren Instrumentalisten auf. Dieses Konzept behielt er – die unterschiedlichen Moden des wechselnden Zeitgeistes berücksichtigend – in wechselnden Themenprogrammen über gut vier Jahrzehnte bei.

Im Nachlass Besemfelders, der sich im Besitz der Lautensänger-Besemfelder-Stiftung befindet, sind 39 Konvolute mit Noten- bzw. Materialsammlungen überliefert, die zumeist einzelnen Konzertprogrammen entsprechen. Zu einem kleineren Teil führen sie programmübergreifend die Arrangements für besondere instrumentale Besetzungen (etwa mit vier Hörnern, Orgel oder Flöte) zusammen. Die i. d. R. im Manuskript überlieferten Arrangements stammen teils aus der Hand des Lautensängers selbst, teils von beauftragten Musikern.

Diese thematischen Sammlungen vermitteln die Spannweite seines Liedrepertoires und die Schwerpunkte in seiner Programmgestaltung. Besonders häufig griff Besemfelder – stets für die eigenen Bedürfnisse bearbeitend – auf Vertonungen der Gedichte von Carl Michael Bellman, Matthias Claudius, Joseph von Eichendorff, Johann Wolfgang von Goethe oder François Villon zurück, gern auch auf Lieder oder Arrangements von Cesar Bresgen (1913-1988), Armin Knab (1881-1951), Heinrich Scherrer oder Paul Winter (1894-1970).

Bislang wurden jedoch erst wenige Teilrepertoires eingehend untersucht, so z. B. das Weihnachtsansingen oder die Bellman-Programme. Die meisten harren dagegen noch einer musikalischen und kulturhistorischen Analyse. So ist gegenwärtig etwa ungeklärt, in welcher Weise der Sänger am Zustandekommen der Schwabenkantate (1938) des zu dieser Zeit nationalsozialistisch gesinnten Komponisten Paul Winter beteiligt war.

Abb. 2 – Der Liebesgarten, nach einem französischen Volkslied, bearbeitet von Oscar Besemfelder, 27. Mai 1959, als Postkarte gedruckt
Lautensänger-Besemfelder-Stiftung

Besemfelders kompositorisches Oeuvre umfasste Lieder und Lautenmusik, aus dem – wie aus seinen Bearbeitungen – lediglich ein geringer Teil veröffentlicht wurde.

4   Nachlass der Kompositionen und Bearbeitungen

Der musikalische Nachlass Besemfelders im Besitz der Lautensänger-Besemfelder-Stiftung umfasst folgende Noten-Konvolute:

1 Deutsche Volkslieder für Zwiegesang (Scherrer)
2 Schwaben-Kantate
3 Claudius-Lieder
4 Hornlieder
5 Bellman-Lieder
6 Scherrer-Lieder
7 Legenden und Geistliche Lieder
8 Entwürfe
9 Mayer-Lieder
10 Volkslieder
11 Besemfelder-Sätze
12 Besemfelder-Sätze
13 Gefiederter Lobgesang
14 Ewiger Reigen
15 Mein Liederbuch: Besemfelder-Kompositionen
16 Volkslieder 1-100
17 Volkslieder 101-
18 Eichendorff-Lieder
19 Landsknechtslieder
20 Minnesänger
21 Villon-Lieder
22 Programm-Entwürfe
23 Weihnachtslieder
24 Die Sternlein
25 Die Laute im Bild
26 Flötenlieder
27 Zwiegesänge (Jürgen Greisel etc.)
28 Von Jägerei und Liebe
29 Zu Memoriam: Lautenlieder und Orgel
30 Flämische, der Fahrende, die Burg
31 Weber-Lieder
32 Bellman-Lieder
33 Bartok-, Gluck-, Mozart-, Telemann-Lieder
34 Volkslieder für Volkssänger und Chor
35 Knab-Lieder
36 Weihnachtskantate
37 Weihnachtsansingen
38 Goethe-Lieder
39 Bellman-Lieder

5   Nachwirkung

Zu den beliebtesten Programmen des Lautensängers gehörte in der Zwischen- und Nachkriegszeit das Weihnachtsansingen, ein abendfüllendes Konzertprogramm mit überwiegend geistlichen Liedern. Diese Veranstaltungsform geht auf Dachauer bzw. Münchner Vorbilder des frühen 20. Jahrhunderts (Aloys Fleischmann, Hermann Stockmann) zurück und erreichte nach 1946 große Popularität und Medienpräsenz (etwa mit Tobi Reisers Salzburger Adventsingen).

Besemfelder, der 1965 im Alter von 73 Jahren an den Folgen einer Operation verstarb, gehörte in der Nachkriegszeit zur Generation der Bühnenkünstler, die zwischen den früheren Traditionen großstädtischer Volkssänger (Weiß Ferdl, Kiem Pauli) bzw. literaturnaher Kabarettisten (Frank Wedekind, Karl Valentin) und der späteren Kleinkunst-Szene vermittelten, die sich erst nach 1968 in München etablieren konnte.

Die Lautensänger-Besemfelder-Stiftung hat die Aufgabe übernommen, Leben und Werk von Oscar Besemfelder zu dokumentieren.

6   Literatur und Quellen

Bosl, Karl: Bayerische Biographie. Regensburg 1983.
Braun, Uli: Oskar Besemfelder. In: Lebensbilder aus dem bayerischen Schwaben 11. München 1976, 415-422.
Kürschners deutscher Musiker-Kalender. Berlin 2/1954.
Lautensänger-Besemfelder-Stiftung, http://besemfelder-stiftung.de.