bmlo.de/s2940/A1
Swertz, Hans Conrad, * 21. Juli 1857 Kamp-Lintfort, † 29. Juli 1927 Philadelphia, Organist, Chorleiter, Kapellmeister, Gesangslehrer, Musikpädagoge, Komponist, Leitungsperson, Musikdokumentar

1   Biographie

Hans Conrad Swertz kam am 21. Juli 1857 im heutigen Kamp-Lintfort am Niederrhein, damals zu Preußen, heute zu Nordrhein-Westfalen gehörig, als Sohn eines katholischen Volksschullehrers zur Welt. Er studierte 1878/79 Jahren in Regensburg Kirchenmusik. Nach Angaben seiner Tochter Tilly studierte er darüber hinaus in Rom.

Schon 1878 wurde Swertz Kirchenmusiker an der Pfarrkirche St. Jakob in Dachau, womit sich eine zeitliche Überschneidung seines dortigen Dienstantritts mit seinem Studium ergibt. In Dachau lernte Swertz Walburga Rössler, die Tochter des Rotgerbermeisters Jakob Rössler, kennen. Dieser stand einer Heirat zwischen seiner Tochter und einem armen Musiker zunächst kritisch gegenüber, weshalb sich Swertz schon 1879 um eine Stelle an St. Vincent in Cork, Irland, bewarb. In Irland herrschte damals, relativ kurze Zeit nachdem der katholischen Kirche von den protestantischen britischen Machthabern wieder mehr Rechte eingeräumt worden waren, Bedarf an kontinentaleuropäischen Kirchenmusikern, die die Qualifikation hatten, um einen Wiederaufbau der katholischen Kirchenmusik zu bewerkstelligen. 1880 heiratete Swertz in Dachau schließlich Walburga Rössler, die ihm nach Cork folgte. 1890 wechselte Swertz auf die Kirchenmusikerstelle an der Kathedrale St Mary and St Anne und wurde auch auf die neugeschaffene Stelle des Kirchenmusikinspektors der Diözese Cork berufen, in deren Funktion er ein in der Diözese verteiltes Register zum Gebrauch geeigneter Kirchenmusikwerke verfasste. An der neugegründeten Cork School of Music unterrichtete er Gesang und Harmonielehre für Fortgeschrittene. Swertz gab in Cork zahlreiche Konzerte und komponierte, etwa Solo-Klavierlieder oder Chorwerke, von denen einige von englischen Verlagen publiziert wurden; zu nennen sind hier der Verlag Weekes and Co, London, oder The Music Publishing Co-operative Society, Liverpool.

Abb. 1 – Familie Swertz im Jahr 1895
Quelle: Familie Fleischmann

Hans Conrad Swertz und seine Frau bekamen neun Kinder. Die älteste Tochter, Maria Walpurga, wurde im Jahr 1911 zur ersten Professorin für Deutsch an die Universität Cork berufen. Die zweite Tochter, Mathilde, zeitlebens Tilly genannt, wählte die musikalische Laufbahn und ging 1901 zum Studium an die Akademie der Tonkunst nach München, also in die vormalige Heimat der Eltern. Sie studierte Orgel bei Josef Becht und Klavier bei Berthold Kellermann und Bernhard Stavenhagen. In Dachau lernte Tilly den Kirchenmusiker Aloys Fleischmann kennen, einen Nachfolger ihres Vaters auf der dortigen Kirchenmusikerstelle; die beiden heirateten am 13. September 1905 in Dachau.

Abb. 2 – Hans Conrad Swertz im Jahr 1901
Quelle: Familie Fleischmann

1906 trat Swertz von der Domkapellmeisterstelle in Cork zurück und verließ Irland, um in Philadelphia, USA, eine Organistenstelle anzutreten. Die Umstände dieses Wegzuges erscheinen verwunderlich. Der Grund für Swertz’ Rückzug von seiner Domkapellmeisterstelle in Cork lag vor allem in den Veränderungen der Kirchenmusik durch das Motu Proprio Tra le sollecitudini von Papst Pius X. aus dem Jahr 1903: Swertz hatte an der Kathedrale mit großem Engagement einen erfolgreichen Chor mit Frauen- und Männerstimmen aufgebaut und ihn zu einem renommierten Ensemble etwa für Messen von Mozart oder Gounod geformt. Er war nun nicht bereit, den Um- bzw. Neuaufbau des Domchores mitzutragen und umzusetzen, den das im Motu Proprio erlassene Verbot von Frauenstimmen in Kirchenchören und die zugleich vorgeschriebene Rückkehr zu einer Kirchenmusik, die sich am Gregorianischen Choral und an der Vokalpolyphonie des 16. Jahrhunderts orientierte, mit sich brachten.

Wollte Swertz den Bestimmungen des Motu proprio aus dem Weg gehen, war der Umzug in die USA eine plausible Wahl, da diese dort nicht so konsequent umgesetzt wurden. Hinzu aber traten private Gründe für Swertz‘ Auswanderung: eine offenbar zerrüttete Ehe sowie der Verlust großer Ersparnisse durch ungeschickte Anlagegeschäfte. Diesen Verlust glaubte Swertz durch seine Übersiedlung nach Amerika und die dortige Anstellung leichter ausgleichen zu können.

Seine Familie ließ Swertz in Cork zurück. Jedoch waren sieben der neun Kinder nach wie vor im Kindes- oder Jugendalter, gingen teilweise noch zur Schule. Swertz, der fortan an der Church of the Visitation of the Blessed Virgin in Philadelphia als Organist tätig war, schickte offenbar keine Unterhaltszahlungen. Somit war die Familie in Cork plötzlich ohne Einkommen. Nur Tilly und vor allem ihr Gatte Aloys Fleischmann, beide eigentlich in Dachau wohnhaft, waren alt genug und von ihrem Ausbildungsstand in der Lage, für die Familie Geld zu verdienen. Fleischmann bewarb sich daraufhin um den vormaligen Posten seines Schwiegervaters in Cork und wurde im September 1906 neuer Domkapellmeister in Cork.

Hans Conrad Swertz verstarb am 29. Juli 1927 in Philadelphia und wurde dort unter dem Beisein zweier seiner Kinder auf dem Cemetery of the Holy Sepulchre beigesetzt.

2   Zur Charakteristik des kompositorischen Schaffens

Für eine knappe Einschätzung von Swertz‘ kompositorischem Schaffen sollen exemplarisch die im Fleischmann-Nachlass überlieferten Lieder betrachtet werden. Sie erscheinen in ihrem Klangcharakter sehr salonhaft, weisen meist eine Strophenform auf. Swertz nutzt die Mittel der Alterierung geschickt, um den Klang farbig zu nuancieren, die Harmonik bleibt aber doch stets diatonisch. Keineswegs werden hier die Möglichkeiten der Tonalität an ihre Grenzen geführt. Die Lieder klingen reizvoll, kompositorisch interessante Reibungspunkte und Spannungsfelder finden sich jedoch im Grunde nicht. Swertz‘ Melodik ist eingängig, ohne Zweifel unablässig bewegt, aber stets einfach gehalten, da sie etwa ohne markante Tonsprünge auskommt. Auch die Klavierbegleitung fügt sich in diesen Charakter ein. Sie illustriert farbig, der Satz ist im Eindruck oftmals bewegt und somit bezüglich seiner pianistischen Wirkung geschickt entworfen, wenngleich in der Figuration nie wirklich virtuos. Dabei herrscht eine recht enge Anbindung des Klavierparts an die Singstimme vor. Obwohl Swertz‘ Harmonik ohne Zweifel musikalische Entwicklung des 19. Jahrhunderts beinhaltet, ist eine Eigenständigkeit des Klaviersatzes kaum gegeben. Bedenkt man, dass bei Swertz‘ Kompositionen von einer Entstehungszeit im späten 19. Jahrhundert die Rede ist, sind sie sicher als solides, geschicktes aber auch etwas braves Kompositionshandwerk anzusehen.

3   Literatur

Barra, Séamas de: Aloys Fleischmann. Dublin 2006.
Cunningham, Joseph P./Fleischmann, Ruth: Aloys Fleischmann (1880-1964). Immigrant Musician in Ireland, Cork 2010.
Cunningham, Joseph P./Fleischmann, Ruth: Dachau und Cork (Irland). Drei Musikergenerationen verbinden beide Städte, in: Amperland. Heimatkundliche Vierteljahresschrift für die Kreise Dachau, Freising und Fürstenfeldbruck, Begründet von Dr. Gerhard Hanke, 41. Jahrgang, Heft 2, Dachau 2005, 41-48.
Fischer, Joachim: Das Deutschlandbild der Iren 1890-1939. Heidelberg 2000.
Hirsch, N.N.: Die Choralreform unter Papst Pius X. V. Heft des Schwäbischen Schulmanns, hrsg. von Josef Karlmann Brechenmacher, Stuttgart 1911.
Scharnagl, August: Regensburg als zentrale Pflegestätte des Caecilianismus. In: Unverricht, Hubert (Hrsg.): Der Caecilianismus. Anfänge – Grundlagen – Wirkungen, Internationales Symposium zur Kirchenmusik des 19. Jahrhunderts, Tutzing 1988, 279-293.
Unverricht, Hubert: Die Choralreformbemühungen unter den Caecilianern. In: Unverricht, Hubert (Hrsg.): Der Caecilianismus. Anfänge – Grundlagen – Wirkungen, Internationa-les Symposium zur Kirchenmusik des 19. Jahrhunderts, Tutzing 1988, 109-123.